Transformationsverträge unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie den Übergang von Subskription zu Open Access gestalten. Welche finanziellen Konditionen vereinbart werden und wie viele Open Access-Publikationen abgedeckt sind, hängt in der Regel von den Ausgangsbedingungen der Vertragspartner ab, insbesondere dann, wenn ein erster Einstieg in eine Transformationsvereinbarung gefunden werden soll. Dennoch entwickeln sich die Vertragsmodelle beständig weiter. Zum Auftakt dieser Serie blicken wir noch einmal auf die Anfänge zurück und unterscheiden Vertragstypen wie „Offsetting“ von „Read & Publish“/„Publish & Read“.

Hybrides Open Access treibt die Kosten in die Höhe

Seit ca. 2005 bieten viele Verlage Optionen an, die es Autor*innen ermöglichen, auch in Subskriptionszeitschriften Open Access zu publizieren. Zeitschriften, die grundsätzlich über Subskriptionen/Abonnements vertrieben werden, in denen aber einzelne Artikel gegen eine Gebühr unter einer Open Access-Lizenz erscheinen, bezeichnen wir seitdem als Hybrid-Zeitschriften. Das Hybrid-Modell wurde von Anfang an kritisiert mit dem Argument, dass die Wissenschaftsverlage auf diesem Weg ihre Inhalte zweifach verwerten, nämlich als Open Access-Publikationsdienstleistung an die Autor*innen und als Subskription an die Bibliotheken und Abonnenten (sog. „double dipping“). Jedoch etablierte sich dieses System der parallelen Einnahmequellen der Verlage nicht zuletzt aufgrund der Förderpolitik in Großbritannien, im Rahmen derer ab 2013 (als Reaktion auf den sog. Finch-Report) im großen Stil Mittel für hybrides OA-Publizieren bereitgestellt wurden.

Offsetting als Verrechnungs-Ansatz

Als Reaktion auf die steigende Kosten im wissenschaftlichen Publikationssystem einerseits und zu wenig Fortschritt bei Open Access andererseits legten die niederländischen Universitäten 2015 die Verhandlungen mit Elsevier nieder und riefen Wissenschaftler*innen sogar zum Boykott des Verlags auf; in Deutschland ging die Universität Leipzig an die Öffentlichkeit als sie sich gezwungen sah, die Verhandlungen mit Elsevier abzubrechen.   Dass Open Access Publizieren und der Zugang zu Zeitschriften zusammengedacht werden können, stellte das Zeitschriftenkonsortium SCOAP³ unter Beweis, und die Max Planck Digital Library legte in einem 2015 erschienenen Whitepaper dar, dass die weltweit verausgabten Subskriptionszahlungen mehr als ausreichen, um Open Access in der Breite finanziell zu ermöglichen.

Bereits zum Jahr 2014 erzielte das österreichische Konsortiums KEMÖ eine erste Pilotvereinbarung mit der britischen Fachgesellschaft Institut of Physics (IOP), in deren Rahmen hybride Open Access-Gebühren mit Subskriptionskosten verrechnt wurden (Offsetting = Kompensation, Verrechnung). Der Vertrag sah vor, dass der österreichische Forschungsförderer FWF die Kosten für das hybride Open Access-Publizieren der österreichischen Wissenschaftler*innen in IOP-Zeitschriften übernimmt, und diese im darauffolgenden Vertragsjahr auf die Subskriptionskosten des KEMÖ angerechnet werden. Auch der britische Hochschuldienstleister JISC verhandelte in Folge mehrere Offsetting-Verträge oder auch Verträge mit Open Access-Kontingenten, die über Gutscheine („Vouchers“) genutzt werden konnten.

Von der Verrechnung zur Umwandlung

Für die internationalen Transformations-Initiative Open Access 2020 sind Open Access-Vereinbarungen von strategischer Bedeutung. Das in 2016 veröffentlichte Grundlagendokument von OA2020, die Expression of Interest, welche mittlerweile von über 150 Wissenschaftseinrichtungen weltweit unterzeichnet wurde, formuliert, dass die Umstellung der traditionellen Subskriptionszeitschriften auf Open Access durch eine Reinvestition der bisherigen Subskriptionsausgaben zugunsten des Open Access-Publizierens geschehen soll. Die neuen Vertragsmodelle zwischen Wissenschaftseinrichtungen bzw. ihren Bibliotheken und Verlagen bieten einen Rahmen, um diese Reinvestitionen vorzunehmen. Zeitgleich begannen Konsortien und Verhandler*innen, vor allem aus Europa und den USA, sich in der Initiative ESAC über die grundlegenden finanziellen Mechanismen und über Workflow-Anforderungen der neuen Vertragsmodelle zu verständigen. Anstelle von nachgelagerten Verrechnungsmechanismen und eines Nebeneinanders von Subskription und Open Access befürworteten die Verhandler*innen Modelle, bei denen das Open Access-Publizieren selbst im Zentrum der Verträge steht.

Entsprechend konvertieren „Read-and-Publish“/„Publish and Read“-Modelle ehemalige Subskriptionskosten in der Regel von vorne herein in Publikationsgebühren und haben dadurch im Vergleich zu bloßem „Offsetting“ einen substantiellen transformativen Effekt. Subskriptionskosten werden in das Publizieren von Open Access-Artikeln reinvestiert, wodurch sich die Finanzierungslogik und die Bemessungsgrundlage der Verträge grundlegend verändern. Die PAR Fee der DEAL-Verträge erfüllt genau diese Funktion im Rahmen der bundesweiten Verträge.

Ziel von Transformationsvereinbarungen ist es, dass Subskriptionsmodell vollständig abzulösen, sodass zukünftige Verträge keine Kostenelemente mehr enthalten, die mit dem Zugang zu Zeitschrifteninhalten in Verbindung stehen und auch Vorauszahungen möglichst zugunsten eines „Pay as you publish“-Modus obsolet werden.

Wie führen Transformationsverträge zum Umstieg auf Open Access?

Open Access-Initiativen verfolgen verschiedene Ansätze, um den offenen Zugang zu Publikationen umzusetzen. Für die Open Access-Transformation, die zum Ziel hat, die bestehenden Subskriptionszeitschriften auf Open Access umzustellen, sind transformative Verträge das zentrale Instrument. Dabei haben sowohl der einzelne Vertrag, den eine Einrichtung oder ein Konsortium mit einem Verlag abschließt, als auch viele Vereinbarungen zusammen einen transformativen Effekt.

Die Teilnahme an einem Transformationsvertrag bedeutet zunächst einmal, es den Autor*innen der eigenen Einrichtung zu ermöglichen, Open Access zu publizieren und parallele Zahlungsströme für hybrides Open Access an die Verlage zu beenden. Je mehr Open Access-Publikationsmöglichkeiten es für die Wissenschaftler*innen einer Einrichtung oder eines Konsortiums gibt, desto mehr transformiert sich der Publikationsoutput der Einrichtung/des Konsortiums insgesamt in den Open Access. So haben die DEAL-Verträge z.B. wesentlich dazu beigetragen, dass im Jahr 2020 rund die Hälfte des deutschen Publikationsaufkommens Open Access publiziert wurde.

Doch auch wenn dadurch in Deutschland das Open Access-Publizieren immer mehr zum Standard wird, ändert sich noch nicht zwangsläufig das Publikationsmodell der Zeitschriften. Wie erreichen transformative Verträge aber dann ein „Flipping“ der Journale von Subskription auf Open Access?

Entscheidend für die großflächige Umstellung ist, dass in möglichst vielen Ländern, vor allem aber in jenen mit einem hohen Publikationsaufkommen bei den großen Wissenschaftsverlagen, Transformationsvereinbarungen verhandelt werden. Um beispielsweise eine kritische Masse von 50% Open Access für alle jährlichen Zeitschriftenpublikationen beim Verlag Cambridge University Press zu erzielen, müssten, gemäß den Angaben auf ESAC Market Watch, z.B. die fünf publikationsstärksten Länder für Cambridge University Press USA, Großbritannien, China, Canada und Australien ihre Publikationen über Transformationsverträge in den Open Access bringen – oder alternativ eine größere Anzahl an Ländern mit kleineren Publikationsanteilen bei Cambridge.

Die Publikationen aus deutschen Wissenschaftseinrichtungen haben mit durchschnittlich etwa 5% einen signifikanten Anteil am jährlichen Gesamtaufkommen vieler Wissenschaftsverlage, weswegen bundesweite Transformationsverträge wie DEAL auch die globale Open Access-Transformation effektiv beeinflussen. Gleichzeitig folgen immer mehr Länder der Strategie einer Transformation durch Open Access-basierte Vertragsabschlüsse: Die ESAC Registry of Transformative Agreements (ein Verzeichnis, an das Konsortien und Wissenschaftseinrichtungen ihre Transformationsverträge melden) zählt inzwischen fast 500 Transformationsvereinbarungen, die in über 30 Ländern mit mehr als 50 großen und kleinen Verlagen ausgehandelt wurden. Allein die in der Registry verzeichneten Verträge werden dieses Jahr bewirken, dass 180.000 Publikationen unmittelbar im Open Access erscheinen.

Natürlich verteilen sich diese Publikationen nicht gleichmäßig über die tausenden an Zeitschriften, die von den Verträgen abgedeckt werden, sodass der Effekt auf einzelne Zeitschriftentitel sehr unterschiedlich ist. Vielmehr als um eine Umstellung einzelner Journale geht es bei der Open Access-Transformation jedoch darum, das Geschäftsmodell für Subskriptionen als solches aufzubrechen. Das geschieht dadurch, dass die Bibliotheken weltweit – anstelle von Subskriptionen – Open Access-Publikationsrechte in Form von Transformationsverträgen nachfragen. Je mehr die Open Access-Anteile in den Zeitschriftenpaketen dadurch ansteigen, desto stärker gerät das Subskriptionsmodell weiter unter Druck. Die Open Access-Transformation der Subskriptionszeitschriften durch Transformationsverträge ist damit ein dynamischer, sich selbst verstärkender Prozess, bei dem das Eintreten eines „Tipping Point“, also eines Kipppunktes für das Subskriptionssystem, vor allem vom gemeinschaftlichen Handeln der Beteiligten abhängt.

Konsortien und Bibliotheken weltweit meldeten in den vergangenen Jahren mehr als 500 Transformationsverträge an die ESAC Registry of Transformative Agreements. Das ESAC-Verzeichnis schafft mehr Transparenz für die Verhandler*innen von Transformationsverträgen. Dabei sammelt die Registry nicht die Verträge selbst, denn diese sind nicht in allen Fällen immer öffentlich einsehbar. Konsortien oder Bibliotheken melden ihre Abschlüsse über ein Online-Formular an die ESAC-Plattform, wobei bestimmte formale Eckdaten wie z.B. Laufzeiten abgefragt werden, aber auch qualitative Kriterien, die sich u.a. auf die finanziellen Rahmenbedingungen, Workflows und Anzahl der Open Access-Publikationsrechte beziehen.

Diese Informationen ermöglichen einen Vergleich der verschiedenen Modelle und Verhandlungsergebnisse. Der deutsche Arbeitskreis „Forum 13+“, in welchem sich Lizenzexpert*innen und Vertreter*innen von Konsortien und Open Access-Infrastrukturen zu Transformationsverträgen austauschen, entwickelte im Herbst 2021 u.a. auf dieser Grundlage eine Übersicht, mithilfe derer sich die Konditionen von Transformationsverträgen oder auch von Verlagsangeboten auf einem Spektrum einordnen lassen. Das Spektrum reicht dabei von „closed access“, also Bedingungen, die den klassischen Subskriptionsverträgen entsprechen, bis hin zu maximalen Open Access-Bedingungen.

Das Spektrum ist damit kein festgelegtes Set an Kriterien oder Standards, wie es etwa die Grundsätze für Allianz-Lizenzen sind, sondern es stellt eher einen Möglichkeitsrahmen dar, innerhalb dessen sich Bibliotheken und Konsortien dem Ziel von 100% Open Access annähern können. Nicht jeder Vertrag wird von vorne herein optimal sein, denn sowohl Wissenschaftseinrichtungen als auch die (Subskriptions-)Verlage haben unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Das Spektrum soll aufzeigen, auf welchen Ebenen (Finanzierung, Zahlungsbedingungen, Workflows, etc.) transformative Effekte wirken können und welche Varianten dabei denkbar sind.

Aufbauend auf dem Spektrum erarbeitete die international ESAC-Initiative eine erweitere Version des Spektrums (Englisch) die im Rahmen des ESAC Reference Guide to Transformative Agreements veröffentlicht wurde.

Wie Konsortien und Verhandler*innen das Spektrum praktisch anwenden, war Thema eines Online-Webinars der ESAC-Initiative (Aufzeichnung und Folien).

Transformationsverträge ermöglichen es den Wissenschaftler*innen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen Open Access zu publizieren, und bestenfalls können sie diese Option möglichst unkompliziert und ohne Einschränkungen nutzen. Auf dem Weg hin zum unbegrenzten Open Access-Publizieren zeigen Transformationsverträge in der Praxis jedoch verschiedene Stufen und Varianten, die im „Spektrum zur Bewertung von Open Access-Transformationsverträgen und Verlagsangeboten“ wie folgt dargestellt werden:

Transformationsverträgen der ersten Generation deckelten das Open Access-Publizieren oft dadurch, dass ehemalige Subskriptionskosten zu einem bestimmten Preis pro Artikel auf Publikationen umgelegt wurden. Begrenzungen der OA-Publikationsrechte können sich auch daraus ergeben, dass ein Verlag bestimmte Zeitschriften oder Zeitschriften-Portfolios von vorne herein vom Open Access-Publizieren ausschließt, etwa, da es an entsprechenden Workflows fehlt.

Mit zunehmender Erfahrung der Wissenschaftseinrichtungen und der verhandelnden Konsortien und im Zuge der Weiterentwicklung der transformativen Vertragsmodelle wird jedoch immer deutlicher, dass unbegrenzte Open Access-Rechte notwendig sind, um Open Access-Publikationsservices für Autor*innen nachvollziehbar und verlässlich zu gestalten. Negative Nutzer*innenerfahrung, wie zum Beispiel, dass Publikationen nicht mehr unter einen Transformationsvertrag fallen nur weil sie später im Jahr zur Veröffentlichung angenommen wurden, sind zu vermeiden, nicht zuletzt auch, da publizierende Wissenschaftler*innen den Anforderungen von Forschungsförderern entsprechen müssen. Ebensowenig lässt sich darstellen, warum Artikel in reinen Open Access-Zeitschriften eines Anbieters nicht ebenso über einen zentralen Vertrag gehandhabt werden wie das hybride OA-Publizieren.

Aus der Sicht von Bibliotheken und Konsortien mag die Deckelung von Publikationsrechten für hybrides Open Access im Sinne einer nachhaltigen Kostenplanung zunächst naheliegen, denn schließlich hat eine feste Obergrenze den Vorteil, dass die jährlichen Gebühren vorhersehbar werden. Basiert eine Obergrenze aber nicht auf sorgfältigen Analysen und Projektionen, kommt es leicht zu Publikationen jenseits der Deckelung für die dann zusätzliche Gebühren fällig werden. Gleichzeitig besteht immer die Möglichkeit von nicht vorhersehbaren Schwankungen im Publikationsaufkommen, welche dazu führen können, dass die vereinbarten und eventuell sogar vorfinanzierten Publikationsrechte nicht genutzt werden, z.B. dann, wenn sich die Publikationspräferenzen der eigenen Autor*innen verändern und zugunsten eines anderen Verlags verlagern.

Risiken der Nicht-Ausschöpfung oder des Überschreitens von Publikations-Obergrenzen lassen sich insbesondere bei mehrjährigen Verträgen durch die Möglichkeit einer flexiblen Übertragung von Publikationsrechten abfedern. Einen nachhaltigen Hebel der Kostenkontrolle bieten hingegen Obergrenzen für die eigentlichen Zahlungen kombiniert mit Vereinbarungen über die Reduzierung oder Erstattung von Zahlungen bei Unterschreiten einer bestimmten Anzahl an Publikationen. So operieren beispielsweise die DEAL-Springer Nature-Vereinbarung mit Publikations-Schwellenwerten, an denen sich die jährlichen Zahlungen bemessen, welche jedoch keinen Einfluss auf das grundsätzliche uneingeschränkte Recht der Autor*innen zum Open Access-Publizieren haben.

Das "Spektrum zur Bewertung von Open Access-Transformationsverträgen und Verlagsangeboten" fasst entsprechende Regelungen in dem Abschnitt "Nachhaltigkeit der Kosten und Umgang mit Risiken" zusammen:

Weiter lesen:
Wilson, Julian: Guest Post — Why Transformative Agreements Should Offer Unlimited Open Access Publishing